Die goldenen Tore – Verbindung von Körper, Atmung und Stimme

Körper Atmung Stimme Neurobiologie

Die Einheit von Körper, Atmung und Stimme

Ja, in dem Buch, das entsteht schreibe ich über die Stimme und das Nervensystem. Ja, das ist ein eher wissenschaftliches Thema. Ja, es geht um das Singen.

Und doch geht es um mehr, eigentlich um Alles. Alles, was uns ausmacht. Uns ausmacht als Menschen und mich ganz persönlich als Frau.

Denn wenn wir es wirklich ernst meinen mit der Einheit von Körper Atmung und Stimme, dann umfasst das noch viel mehr als die Zusammenhänge, die ich gleich im folgenden Kapitel beschreiben werde.

Körper Atmung Stimme Neurobiologie

Eine andere Art über den klassischen Gesang zu denken

Es war schon eine kleine bis große Revolution, als mein Lehrer Eugen Rabine in den 1980er Jahren für die Sichtweise im Gesang eintrat, dass wir die Wissenschaft, dass wir den Körper in seiner Bewegung sehr bewusst mit in das Singen lernen einbeziehen müssen. Denn wir haben diese Zusammenhänge, dass ohne den Körper die Atmung nicht in der Effizienz, die wir für den Gesang benötigen geschehen kann. Wir können sonst keine optimale Leistung und gleichzeitig gesunde Stimmfunktion erreichen.

Doch während ich das schreibe, kommt es mir unendlich weit von mir entfernt vor. Ich habe all das gelernt, mache die vielen Körperübungen, die mir beim Atmen und Singen helfen und wende sie mit Erfolg bei meinen Schülerinnen und Schülern an. Ich kann die heilsame Wirkung spüren und verstehe die Zusammenhänge sehr gut. Es ist meine Geschichte, wie ich endlich doch noch singen gelernt habe, auf eine Weise, die ich mir immer zutiefst gewünscht habe.

Das Erleben von Lust im Singen

Und doch scheint es, als habe es mit mir zu wenig zu tun.

Waren nicht meine ersten Erfahrungen mit dem Singen vor allem sinnlicher Natur? Fühlte ich mich nicht auf einmal so lebendig in meinem Körper, als ich bei meiner ersten Gesanglehrerin unter dem Dach stand und Schubert sang? Und da waren noch diese beiden Erlebnisse, die mich so erschrocken und zurück zucken lassen haben. Denn als sich mein Vokaltrakt öffnete, spürte ich auf einmal Lust.

Ja, ich spreche es hier aus, nicht nur Lust im Sinn von Lebendigkeit, sondern im Sinn von sexueller Lust. Ohne jede Stimulation hatte ich ein Gefühl von Ekstase, als ich diese schnellen Koloraturen von Rossini in der Aufnahmeprüfung für Operngesang in der Musikhochschule Hannover sang. Ich spürte sinnliche Lust, als auf einmal in einer Unterrichtsstunde bei meinem ersten funktionalen Lehrer in Detmold ein Gefühl auftrat, dass die schwingenden Schleimhäute in Vokaltrakt und Stimmlippen einen direkten Einfluss durch mein Becken in meine Vulva hatten.

Und ich schreibe all diese Begriffe sehr bewusst. Es kostet mich Überwindung, aber es ist mir wichtig, das Kind beim Namen zu nennen.

Und ich habe damals nicht verstanden, was mit mir passierte in diesen Situationen. Ich habe sie schnell wieder in mir verschlossen und mich auf das ernsthafte Studium von Muskeln, der anatomischen Zusammenhänge und den Einfluss auf die Stimme konzentriert.

Wir machen es endlich richtig, wir stehen auf den sicheren und starken Beinen der Wissenschaft.

Und doch haben mich diese beiden Erlebnisse nie losgelassen.

Erlebnisse und Erkenntnisse aus dem Tantra einbeziehen

Heute, wo ich zeitgleich mit Singen und Tantra und weiblicher Sexualität beschäftigt bin, drängen sich immer wieder Verknüpfungen auf. Es mehren sich die Erkenntnisse, dass der Vagus Nerv, der wesentlich für die Stimme und unser ganzes kommunikatives Verhalten und Verbinden ist, auch Verbindungen bis zur Cervix hat.

Denn Körper, Atmung und Stimme sind auch in der Sinnlichkeit, sind in der Sexualität wichtige Ausdrucksmittel.

Warum also habe ich es nicht weiter in Erwägung gezogen, dass wenn wir von Einheit reden, es eine Einheit von Allem meint. Dinge nicht länger auszuklammern, aus welchen Gründen auch immer.

Anregungen bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Körper, Atmung und Stimme

Vielleicht ist die Aufgabe oder die Anregung, die ich am Anfang des Kapitels über Körper, Atmung und Stimme aufzeigen möchte folgende: Bei allem Wunsch, den Körper in seiner Funktion in Zusammenarbeit mit der sängerischen Atmung und unserer Stimmfunktion des Kehlkopfes zu verstehen, gleichzeitig zu wissen, dass wir mit unserem tiefen Menschsein im Kontakt sind.

Denn Sexualität und Sinnlichkeit, Stimme, Atmung, Körper sind neurobiologische Notwendigkeiten.

Warum also verschließen wir uns manchmal davor, wenn uns bestimmte Gefühle, Gedanken, Empfindungen unangenehm sind? Und warum denken wir, dass wir sie fein säuberlich trennen sollten?

Nein, das sollten wir nicht. Sinnlichkeit hat mit Sinnen zu tun, all unsere Sinne einsetzen. Auch das ist Neurologie der Stimme, das Thema dieses Buches.

Ganzheitlichkeit

Sinne sind im Körper verortet, die Atmung ist der Motor des Lebens und die Stimme hilft uns, uns auszudrücken, uns mitzuteilen. Das gilt für die Sprache und das gilt vor allem auch für das Singen. Denn dabei entstehen noch viel mehr Schwingungen, mit denen wir auf ganz anderen Kanälen unser Publikum erreichen. Warum wird seit Jahrhunderten gesungen? Ich kann die Frage nicht beantworten, aber ich kann sagen, mich fasziniert die Rabine-Methode seit so langer Zeit, weil sie ganzheitlich ist. Weil sie alle meine biologischen Funktionen und Notwendigkeiten mit einbezieht. Weil sie mich mich ganz fühlen lässt.

Und ich möchte der Ganzheit, die ich gelernt habe, dieses für mich wichtige Stück hinzufügen. Denken wir doch immer mal wieder beim Lesen an die Freude, die unser Körper uns macht, die Gefühle, die unsere Atmung ausdrückt. Die Stimme, die so viel von uns zeigt und verrät.

All das ist Leben und genau diese Einheit ist unglaublich wichtig beim Singen, mit allem was sie von uns zu zeigen in der Lage ist.

Mit all dem sich zeigen ist Einheit mit uns selbst und unserem Publikum. Eine wahrlich sinnliche, spirituelle und zugleich wissenschaftliche Sicht- und Fühlweise.

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