Feldenkrais und Bodynamic – späte Einsichten zu einer Feldenkrais Lektion

Hilkea Knies Bauchlage Feldenkrais

Ein Kurs mit Feldenkrais und Stimme

In den 90er Jahren nahm ich regelmäßig an einem Kurs teil, der Feldenkrais und Stimme hieß. Mein Lehrer leitete ihn mit einem Feldenkraislehrer zusammen. Sie hatten unterschiedliche, durchweg spannende Themen als Aufhänger für die Arbeit. Für mich war das eine sehr spannende Reise, die nochmal ganz anders auf mich wirkte, als die Körperübungen, die ich bis dahin bei meinem Lehrer Eugen Rabine kennengelernt hatte.

Eine Übung hat mich sehr angesprochen, ich habe darüber in einem anderen Blog Artikel geschrieben.

Aber noch etwas Anderes ist mir in Erinnerung geblieben. Wir hatten eine Übungssequenz gemacht, die sich in der Rückenlage abspielte. Sie war unglaublich wundervoll für mich. Ich merkte, wie sich mein Brustkorb dehnte, mein Zwerchfell schien sich aus seiner Kontraktion am Rippenbogen zu befreien, die Atmung war wunderbar.

Feldenkrais Übung Rückenlage
Diese Übung tat mir unglaublich gut. Man kann erkennen, wie schön der Rippenbogen gedehnt wird.

Und als ich am Ende des Tages auf meinem Meditationskissen saß richtete sich meine Wirbelsäule ganz wie von selbst auf. Ich war selig und freute mich auf den nächsten Tag mit weiteren Erfahrungen.

Diese verflixte Bauchlage

Der nächste Tag überraschte mich mit einer Übung aus der Bauchlage. Bauchlage war nie mein Favorit gewesen, die Atmung schien zu stocken, ich fühlte große Enge und Beklemmung. Jahre später konnte ich lernen, mehr und mehr meinen Rücken an der Atmung zu beteiligen, so dass Übungen in der Bauchlage zu einer tiefen und ruhigen Stimmerfahrung für mich wurden.

Aber an dieser Stelle war ich noch nicht. Ich kämpfte mit meinen Widerständen gegen die Körperhaltung und versuchte gleichzeitig den Anweisungen des Feldenkrais Lehrers zu folgen. Immer wieder verstand ich nicht, welche Bewegung ist machen sollte. Bei allen anderen schien es zu funktionieren, aber ich hatte keine Ahnung, wohin sich mein Körper bewegen sollte. Ich wartete darauf, dass der Feldenkrais Lehrer meine Not sehen würde, machte Zeichen, dass ich Hilfe brauchte, aber nichts geschah. Ich war mit mir auf meiner Matte allein und kämpfte verzweifelt, um aus der Bauchlage in die Rückenlage zu kommen.

Am Ende war ich frustriert, total wütend auf den Lehrer, der mich – wie ich es sah – ganz allein gelassen hatte.

Ich würde aus heutiger Sicht zu seiner Entlastung sagen, dass zum damaligen Zeitpunkt die Verbindung zwischen Psyche und Körper noch nicht so klar war, wie es heute der Fall ist. Ihm ging es um flüssige, widerstandslose Bewegung mit viel Energie, was ich ja am Vortag auch gut erleben konnte, aber am anderen Tag war ich war völlig in meinen Emotionen gefangen, die mit mir Achterbahn fuhren.

Etwa 30 Jahre später mit Bodynamic

Nach der intensiven Woche mit der Arbeit an Bodynamic mit meinen beiden Kollegen, kam mir beim Schreiben des Buches diese Begebenheit wieder in den Sinn. Und auf einmal zog ich ganz andere Verbindungen.

Ich befand mich in dieser Übungssequenz eindeutig in einer frühkindlichen Position, denn wir übten als Beginn der Bewegung, ein Bein, ein Knie Richtung oben zu ziehen, so dass ich in einer Position lag, die meinem Körper aus frühen Stadien meines Leben bekannt vorkam.

Feldenkrais Übung Bauchlage
In diese Position in der Bauchlage haben wir uns zuerst bewegt.

Die gefühlte Atemnot verband mich einer Angst, die wir manchmal in dieser Phase spüren. Wenn etwas für uns damals, ganz früh nicht passte und wir uns nicht selbst helfen konnten, war die Angst vor dem nicht überleben können ganz schnell zur Stelle.

Es tat uns etwas weh, wir hatten Hunger, wir wussten nicht, wie wir uns aus einer unangenehmen Position befreien konnten, wir fingen an zu weinen, wir fingen an zu schreien. Und irgendwann, wenn keine Hilfe kam, schrien wir gefühlt um unser Leben. Und noch später gaben wir auf.

Manchmal sagen uns unsere Eltern heute, wie gut wir uns beruhigen konnten. Das ist leider nicht wahr, aber eine andere Geschichte.

Die Auswirkungen der Existenzstruktur

Diese frühe Phase unseres Lebens zeigt sich später in der so genannten Existenzstruktur. Wir zeigen Verhaltensweisen, die wir in dieser Phase vom 2. Trimester bis zum 3. Monat gelernt haben.

Und egal wie viel Therapie wir in unserem Leben gemacht haben sollten, es wird immer wieder Trigger geben, die uns daran erinnern oder uns auch direkt in die Gefühlswelt der damaligen Zeit zurück katapultieren. Was wir mit der Zeit hoffentlich lernen, ist zu erkennen, dass wir uns emotional in einem sehr frühen Zeitpunkt unseres Lebens befinden und wir kennen vielleicht tools, mit denen wir uns zurück holen können.

An der Stelle war ich damals nicht. Ich wartete auf Hilfe, machte auch mich aufmerksam, wurde aber nicht noch aktiver als ich merkte, dass ich keine Hilfe bekam. Heute sind wir erwachsen, wir können anders auf uns aufmerksam machen, wir können eine Situation verlassen, die uns Angst macht, die sich unangenehm anfühlt. Wir haben im Gegensatz zu unserem Baby-Zustand viele andere Möglichkeiten.

Und dann auch noch die Bedürfnisstruktur

Und noch eine andere Struktur aus dem Bodynamic zeigte sich. Sie entstammt auch einer frühen Phase. Es war die Bedürfnisstruktur, die sich im Alter von 1 Monat bis zu 1,5 Jahren entwickelt. Wenn wir hier nicht gut genährt wurden – und das bezieht sich nicht nur auf die physische Nahrung – entwickeln wir bestimmte Glaubenssätze, die sich auch später noch zeigen können. Einer meiner Sätze lautet: ich bekomme zwar etwas, aber es ist nie das Richtige.

Und aus dieser Struktur heraus erlebte ich mich auch damals, als ich erst in die Resignation und dann später, aber nur mit mir allein in die Wut kam. Ja, ich war in einem tollen Kurs, aber der Kursleiter gab mir nicht das, was ich brauchte. Und ich hatte das Gefühl, es lag an mir. Ich war es nicht wert, dass man meine Zeichen richtig deutete, ich muss es mal wieder allein machen (wobei das Thema um das Alles-allein-machen-müssen aus der darauf folgenden Struktur kommt).

Der Einfluss auf unser späteres Leben

So wurde eine an sich ganz einfache Übung für mich zu einem Lehrstück, an dem ich bemerken konnte, wie unsere Charakterstrukturen unsere Wahrnehmung für das gesamte spätere Leben beeinflussen.

Wie sollen wir jemals herausfinden, was DIE Wahrheit ist, wenn wir uns nicht mit diesen Themen in irgendeiner Weise auseinander setzen? Wenn wir Pech haben, machen wir immer und immer wieder die anderen für unsere Misere verantwortlich, weil wir noch nicht begriffen haben, dass sich die Welt schon lange weiter gedreht hat und wir erwachsen sind. Wir müssen uns nicht davon abhängig machen, ob andere genau das tun, was wir brauchen. Wir können uns selbst darum kümmern, wir können uns artikulieren, wir können miteinander reden und unser Leben, unser Überleben selbst in die Hand nehmen.

Können wir auch hier einen Zusammenhang mit der Stimme erkennen?

Und natürlich werden wir auch hier einen Zusammenhang mit der Stimme feststellen. Ich hatte das Glück, dass ich immer irgendwann erhört wurde, wenn ich schrie, ich musste also nicht aufgeben, wie andere Menschen, die so lange schreien gelassen wurden, bis sie sich von selber wieder “beruhigten”. Aber was mir geblieben war, war eine Stimme, die sehr laut und bestimmend, manchmal fast aggressiv war.

Meine ersten Gesangserfahrungen waren so, dass immer wieder gesagt wurde, ich habe eine wunderbar kräftige Stimme, aber sie klänge eher, als ob ich in einer Rockband singen sollte statt wie ich es tat Operngesang zu studieren.

Und jedes Mal wenn mein Lehrer mich mit piano-Übungen auf den Vokalen U und Ü “quälte”, hätte ich ihn erschlagen können. Es verband mich, ohne dass ich mir dessen bewusst war mit einem Gefühl, die Kontrolle nicht mehr halten zu können und wieder hilflos zu sein. Und natürlich hat es mein Singen sehr nachhaltig beeinflusst. Es dauerte viele Jahre bis ich dahinter kam, was noch alles in meiner Stimme mitschwang und was angeschaut werden wollte.

Aber was für ein Gefühl der Freiheit, im Leben und in der Stimme, wenn sich endlich etwas Neues  in uns etablieren darf. 🙏

Manchmal braucht es gefühlt das ganze Leben dazu.

❤️ Aber wie mal jemand sagte: es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit. In jedem Moment unseres Leben, das ist keine Frage des Alters.❤️

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert