Sehr müde – muy cansada

Nach einem ereignisreichen Wochenende sitze ich heute morgen sehr müde im Zug. Después de un finde muy emotivo me siento esta mañana muy cansada en el tren.

Keine Sorge, mehr Spanisch werde ich in diesem Artikel nicht schreiben, aber gerade denke ich noch viele spanische Worte, auch wenn ich noch nicht so gut spanisch sprechen kann – ich lerne noch. Und das Wochenende hat mich total motiviert, wieder sehr aktiv weiter zu lernen. Denn ich möchte mich eines Tages so gern mit unseren Freunden aus Buenos Aires in ihrer eigenen Sprache unterhalten können.

Doch ich fange mal von vorne an. Das Wochenende war geprägt durch den Kurs mit argentinischen Sängerinnen und Sängern. Das erste Mal haben meine beiden Kollegen und ich unter dem Namen Vocal Dynamics einen Kurs gegeben. Und es war unglaublich berührend.

Wir kennen “die Argentinier” schon seit vielen Jahren. Eine ganze Reihe von Sängerinnen und Sängern ist vier Jahre lang jedes Jahr nach Deutschland gekommen, um die Rabine-Methode zu lernen. Und 2018 haben wir dann in Buenos Aires zwei Wochen lang öffentliche Kurse und Gesangsstunden gegeben. Schon damals hat uns der emotionale Zugang, den wir dort gespürt haben fast davon gespült. So viel Gefühl sind wir hier aus Deutschland nicht unbedingt gewöhnt. 😉

All das steht heute morgen wieder vor meinen Augen und ich kann es im Herzen fühlen, obwohl alles noch so müde in mir ist, halt muy cansada.

Die zwei letzten Tage Revue passieren lassen. Ein Kurs mit fast 200 Menschen, vor allem aus Argentiniern, aber eigentlich aus ganz Südamerika, aus der ganzen Welt. Von denen wir aber nur ca. 50-60 auf unserem Bildschirm sehen konnten. Aber das allein ist so aussagekräftig, treibt uns Dreien immer wieder die Tränen in die Augen.

Und da bin ich mitten im Thema des Buches, was ich gerade schreibe. Ein Buch über die Stimme und das Nervensystem. Dessen Entstehen ich hier in diesem Schreib-Blog kommentieren möchte. Ich bin also wie jeden Morgen früh wach gewesen und habe mich in meine Schreib-Gruppe der wunderbaren Frauen um 6.00 h in der Frühe begeben. Noch im ganz anderen space, aber wie man sieht, das Buch schläft nie, die Themen sind allgegenwärtig, wo auch immer ich mich befinde, mit wem auch immer ich gerade arbeite.

Wie machen wir Menschen, wie macht unser Nervensystem das bloß, dass wir uns, trotzdem wir uns online nicht hören, so derartig fühlen können? Warum weinen wir vor dem Bildschirm, wenn wir gemeinsam Musik singen, die niemand von uns hört?

Aber allein in die Gesichter zu schauen, den Körperausdruck zu verstehen ist anscheinend schon ausreichend. Auch die Erfahrung, dass niemand am Ende aus dem Zoom Meeting heraus gehen möchte, dass wir einfach noch beieinander sein möchten, sagt so viel aus.

Und ganz langsam komme ich wieder zurück in den Alltag, schaue auf das nächste Seminar, was mich am kommenden Wochenende erwartet. Wo es wieder um den Kehlkopf gehen wird, ganz klar anatomisch orientiert. Und auch darauf freue ich mich. All diese verschiedenen Zugänge dürfen zu Wort kommen, müssen sich nicht widersprechen und herum streiten, sondern dürfen sich befruchten. Mal braucht man mehr den Mind, mal kommt eher der Spirit zum tragen. Und bei einer Scanner Persönlichkeit, wie ich es anscheinend bin ;-), gibt es nur manchmal Verwirrung darüber, in welchem space ich mich gerade befinde, aber eigentlich finde ich diese unglaublich vielen Zugänge bereichernd.

Und ganz langsam verfliegt die Müdigkeit, die Gefühle dürfen wieder mehr in den Hintergrund treten, die Vergangenheit tritt ganz langsam wieder in diesen Schatten, aus dem wir sie immer mal wieder hervorziehen, um sie erneut zu betrachten, etwas aus ihr zu lernen, uns an ihr zu erfreuen oder auch wehmütig zu werden, weil wir vielleicht etwas verloren haben, was uns kostbar war.

Und das Leben ist so voll, voller Reichtum voller Möglichkeiten. Auch in Pandemie Zeiten oder vielleicht gerade da. Vor 18 Minuten hat mein Faszienkurs mit Robert Schleip und Hanno Steinke angefangen. Aber ich sitze im Zug. An einen ungestörten Internet Zugang ist nicht zu denken. Also werde ich die Aufzeichnung ansehen.

Faszienbuch von Jean-Claude Guimbertau

Faszien – noch so ein unglaublich spannendes Thema. Und schon springe ich ins nächste Feld. Kennt ihr den Film von Guimberteau? Strolling under the skin? Die Faszien tanzen zu klassischer Musik, sie erneuern und formen sich ständig neu, sie glänzen und glitzern, dass es nur so eine Freude ist. Dazu passen so merkwürdige Erfahrungen, dass ich in einer Gesangsstunde mal das Gefühl hatte, mein Centrum tendineum, meine Zwerchfellkuppel würde lachen während ich singe.

Und weiter fließt der Gedankenstrom. Gleich geht Judith online. In genau 38 Minuten. Wird sie mit einem Handstand beginnen? Werde ich überhaupt etwas mitbekommen, denn zwischen Frankfurt und Kassel jagt ein Tunnel den nächsten. Bin ich um 12 h wieder zu Hause, um den zweiten Input mitzubekommen? Das Thema von The blog bang steht noch nicht, sie wird es also live verkünden und ich bin gespannt, mit welchem Thema sie diese Woche meine Kreativität anstupsen und herausfordern wird.

Die Gedanken fließen weiter. Denn um 13 h werde ich tanzen, mein Tanzpartner kommt – hoffentlich. Salsa, Bachata und Kizomba stehen wie eigentlich immer auf dem Programm. Kann ich heute überhaupt einen Schritt vor der anderen setzen, Geschwindigkeit erzeugen, mich drehen? Oder ist auch das eher muy cansada? Vielleicht tanzen wir heute lieber Rumba?

Und so floss der Tag dahin. Irgendwie nichts Besonderes. Aber muss es denn immer das Besondere sein, was dokumentiert wird? Erleben wir nicht eigentlich alle Tage, die in der Mehrzahl nicht besonders sind? Und ich stelle immer wieder fest. Das was Tage besonders macht ist der Umstand, wenn ich es schaffe, wirklich da zu sein, in jedem Moment, egal wie er ist. Dann wird es spannend, selbst wenn man so müde ist – halt muy cansada 😉

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